Historisches Rathaus Markt Retzbach e.V.

Wir sind ein gemeinnütziger Verein, dessen Ziel es ist, das Historische Rathaus in Retzbach durch kulturelle und gesellige Veranstaltungen dauerhaft zu beleben.

Rückblick

auf vergangene Veranstaltungen

 Wundervolle Stimmen begleiten ins neue Jahr

Das festliche  Neujahrskonzert im Historischen Rathaus Retzbach erfüllte Neujahrswünsche (04.01.2025)

So darf 2025 weitergehen: das stimmungsvolle Konzert mit den Sopranistinnen Katja Woitsch und Stephanie Simon, begleitet vom souveränen Klavierspiel Philip Dahlems, erwies sich als echter Wunscherfüller. Zunächst präsentierte es Harmonie in Vollendung. Wenn zwei Stimmen sich steigern zu intensiven Duetten, das Klavier seine Töne darunter mischt, wenn viele fremde Sprachen erklingen  - und das alles aber in einem gemeinsamen, bezaubernden Melodienreigen endet, dann ist aus einer chaotischen Vielfalt jenes Zusammenspiel erreicht, das wir auch ins neue Jahr hineintragen wollen.

Anregend darf das neue Jahr natürlich auch sein. Es erklangen Lieder verschiedener bekannter Komponisten aus der Zeit der Romantik und der Klassik. Mendelssohn-Bartholdys „Gruß“ leitete das Konzert stimmungsvoll ein, Richard Strauss´ „Winterweihe“ stellte eine eher mystische Hommage an die kalte Jahreszeit dar. Mit Camille Saint-Saëns getragenem „Ave Maria“ stand ein geistliches Werk auf dem Programm, bevor die Weihnachtszeit unter anderem mit Adolphe Adams „Noel“ und John Rutters „Christmas Lullaby“ wiederauflebte. Jede dieser Interpretationen verzauberte auf ihre ganz eigene Art und machte neugierig auf immer mehr musikalische Reize. 

Und das Zuhören und Zusehen bereitete dem Publikum viel Vergnügen. Der helle, klare Sopran von Katja Woitsch ergänzte sich prächtig mit dem meist etwas dunkler gefärbten von Stephanie Simon. Das abwechslungsreiche Spiel der beiden Stimmen steigerte sich nach der Pause bis hin zur Aufführung der Oper „Die Hochzeit des Figaro“ als Minitheater.  Hier zeigten die Sängerinnen nicht nur stimmliches, sondern auch schauspielerisches Talent. Philip Dahlem legte am Klavier präzise und stets aufmerksam das musikalische Fundament, das die beiden Stimmen stützte und zu einem schönen Ganzen verband. Gefühlvoll ließ er die Duette und Soli ausklingen.

Jacques Offenbachs bekannte „Barcarole“ bildete den temperamentvollen Abschluss, bevor nach der Zugabe das harmonische, anregende und vergnügliche Konzert allzu früh endete. Die Zuhörerinnen und Zuhörer dankten mit langem Applaus. 



 Träumend in die Weihnachtszeit

Das Weihnachtskonzert am Nikolaustag im Historischen Rathaus Retzbach begeisterte (06.12.2024)

Wenn draußen in der Welt die Hektik sich steigert, die Wunschlisten geschrieben werden, die Geschenke im Sturmlauf eingekauft, verpackt, versteckt, vergessen werden, Plätzchen gebacken und die Weihnachtsgans gefüllt wird, also der ganz alltägliche Weihnachtsstress einen fest in Händen hält, dann tut es gut, einen Raum und eine Zeit der Ruhe und Besinnung aufsuchen zu können. Die Gruppe „Allegro ma non troppo“ zauberte im Historischen Rathaus Retzbach diesen Ort. Behutsam nahm sie die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf eine vorweihnachtlich-musikalische Reise rund um den Erdball. Gleich zu Beginn wurde die Tiroler Herbergssuche mit südamerikanischen Rhythmen aufgepeppt. Über Italien und Israel ging´s zurück in die Fränkische Schweiz und nach Theres in Unterfranken. Schwungvoll feiert man in Irland mit „God rest you merry gentleman“ und die  Argentinier tanzen sogar bei „Porque el entro“ einen Weihnachtstango.  Sehr viel leiser klingt „Jul, jul“ aus Schweden und erhebend ertönt „Eta notsch“ aus Russland. Könnte dieses friedvolle Nebeneinander von Israel wie Russland, von Schweden wie den USA doch nicht nur mit Weihnachtsliedern gelingen, sondern zum Vorbild für das Zusammenleben auf unserer Erde werden. Eingestreut in die musikalischen Darbietungen waren kleine Geschichten, mal humorvoll, wie die von der Weihnachtsgans, die Fuchs, Wolf und Wiesel Anstand und Benehmen lehrte, mal nachdenklich und heute aktueller denn je, wie die Erinnerungen Heinz Erhardts an Weihnachten 1944. 


Die vier Musikerinnen und Musiker von „Allegro ma non troppo“ verstanden es meisterhaft, eine heimelige und  behagliche Stimmung zu schaffen, verstärkt durch das alte Fachwerk der Rathausstube. In vielen Sprachen und auf vielen Instrumenten zu Hause überzeugte Birgit Hutzel bei Spiel und Gesang. Als umsichtiger Taktgeber sorgte Uli Preu für den richtigen Rhythmus und intonierte mit Gitarre und vor allem mit Geige virtuos. Siegfried Hutzel steuerte mit Cello und Kontrabass die tiefen Töne bei und eröffnete eine zweite, düster-mystische Schicht der Lieder. Und Hermann Tzschaschel begleitete mit seinem ausgezeichneten Gitarrenspiel die Melodien konzentriert und trug seinen Teil zum harmonischen Gesamteindruck bei.

Am Schluss brauchte es keine Aufforderung an das Publikum. Das Begleitheft gab den Text vor und alle Besucherinnen und Besucher sangen das Lied „Hört der Engel helle Lieder“ andächtig und mit viel Gefühl und Leidenschaft mit. Mit langem, stehendem Applaus bedankte man sich bei den Musikern für einen ergreifenden vorweihnachtlichen Abend.  

Lesung „Deckname Antenne“ (22.11.2024)

Eberhard Schellenberger und die Stasi

Ein Journalist gerät ins Visier der Stasi, eine Akte wird über ihn angelegt und jeder seiner Schritte, die er bei Besuchen in der DDR macht, wird akribisch protokolliert. Er wird als Sicherheitsrisiko eingestuft, Menschen, mit denen er Kontakt hat, werden unter Druck gesetzt und man versucht teilweise sogar, sie zu erpressen. Was sich liest wie ein Agententhriller, ist dem ehemaligen BR Journalisten Eberhard Schellenberger tatsächlich passiert. Nach der Wende hat er seine Stasi-Akte eingesehen und schier Unglaubliches über seine früheren - übrigens in keinster Weise staatszersetzenden – Besuche in der damaligen DDR bzw. dem Umgang der Staatssicherheit damit, herausgefunden. 

All das kann man in seinem Buch „Deckname Antenne: als Journalist im Visier der Stasi“ nachlesen, das 2022 erschienen ist. Seitdem ist Herr Schellenberger auf Lesereise, die ihn diesmal in das fast ausverkaufte Historische Alte Rathaus nach Retzbach führte. In kurzweiligen, teilweise lustigen und immer wieder auch sehr bewegenden 2,5 Stunden machte er seinen Zuhörern die letzten Jahre der DDR bis zum Mauerfall noch einmal erlebbar und verknüpfte diese mit seiner eigenen Geschichte, die damit eng verbunden ist. Am Ende des Abends waren sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig, dass sich der Besuch der Veranstaltung absolut gelohnt hat und dass der Abend noch lange nachhallen wird.

(Text von Sarah Brimer, Pfarrbücherei Retzbach)

 

Charleston im Blut und Shimmy in den Gliedern

Eine furiose Zeitreise in die 1920er Jahre im Historischen Rathaus Retzbach (18.10.2024)

In keinem der mondänen Ballsäle der berühmten Berliner Tanzetablissements hätte es fröhlicher, ungezwungener und ausgelassener zugehen können als in dem „small blue room upstairs“ des Historischen Rathauses beim Konzert der No Nonsense Band. Vom ersten Ton an schlugen die vier Musiker mit Musikerin die Zuhörer in ihren Bann, stieg der Dixie zu Kopf, der Fox ging ins Blut und der Swing ließ die Beine tanzen. Die fantasievollen Arrangements zerlegten die oft altbekannten Melodien kunstvoll, gaben den vier Instrumenten breiten Raum zu eigener kreativer Entfaltung und fanden am Schluss doch wieder perfekt zusammen. 


Los ging es bereits bei „Ain´t she sweet“, bei dem der Funke augenblicklich übersprang und es den Zuhörern auf ihren Plätzen schon leicht kribbelig wurde. Die launige Moderation von Nadine Winziers leitete dann vom leicht melancholisch-traurigen „A Sad Song“, der gekonnt einen doch freudigen Ausklang erfuhr, über zu „Happy Feet“, aber bitte ohne sich die Schuhe auszuziehen. Das Publikum durfte bei der Hochzeit von Peter Thoma dabei sein, der sein Hochzeitslied „It Had To Be You“ zum Besten gab, von seinem Hobby, dem Segeln, träumte und sogar einer Zugreise mit dem „Chattanooga Choo Choo“ nur Gutes abzugewinnen hatte. 

Der „Augenstern“ der Gruppe, Nadine Winziers, sorgte mit Paillettenkleid und Feder im Haar ebenso für den Hingucker, wie mit der samtigen-erotischen Intonation ihres Tenorsaxophons für den Hinhörer. Neben ihr bediente Peter Thoma sein Sopransax virtuos und zauberte mit seinem durch den Schalltrichter gefilterten Gesang eine echte Zeitatmosphäre. Und immer wieder drängte Benedikt Schaut mit teils klaren und hellen, teils abgetönten und schrägen Trompetentönen in den Vordergrund. Felix Himmler vollführte exzellente Läufe am Kontrabass und meistere seine Herausforderung, das Schlagwerk eines ganzen Orchesters zu ersetzen, mit Bravour. Glänzend war auch das Zusammenspiel der Vier. Die Einsätze kamen punktgenau, die Solopartien wurden zurückhaltend begleitet, die Stimmung des Publikums genau wahrgenommen. Ebenfalls hervorzuheben ist, dass die Gruppe ohne jegliche elektronische Verstärkung spielte, sich allein auf den Klang ihrer Instrumente konzentrierte und so wirklich „handgemachte“ und authentische Musik bot. 

Kein Wunder, dass die Besucher nicht zum Halten waren. Und auch wenn der kleine Raum keinen Platz zum Tanzen bot, so sang man bei „You are my sunshine“ ebenso gefühlvoll mit wie bei der mindestens vierten Zugabe „O When The Saints“. Langer und stehender Beifall verabschiedete die Gruppe und ein beschwingtes Lebensgefühl begleitete die Zuhörerinnen und Zuhörer nach Hause. 

 

Einen Turner und einen Schindler

 Der Retzbacher Maler Jonny Schindler zeigte neue Aquarelle (04.-06.10.2024)

Vom berühmten englischen Landschaftsmaler William Turner wird berichtet, er habe sich einst bei rauer See an die Außenwand eines Schiffes binden lassen, um die Gewalten des Sturms und des Meeres im wahrsten Sinne des Wortes hautnah zu erfahren. Die Bildersprache, die der Künstler aus diesen Erlebnissen entwickelte, fasziniert bis heute, weil sie in intensivster Art und Weise die Dramatik der Natur einfängt und unsere Gefühle mitnimmt auf eine Bilderreise voller Dynamik und Eindringlichkeit.


Bei Jonny Schindler erleben wir einen anderen Zugriff auf die Natur. Beim Betrachten der ausgestellten Bilder kann man sich gut vorstellen, wie der Künstler am Ufer eines plätschernden Baches oder eines stillen Sees sitzt und langsam auf seinem Skizzenblock beginnt, die ersten Umrisse der friedlichen Landschaft einzufangen. So entstehen Bilder voll beeindruckender Harmonie und Ruhe.

In launigen Worten wies der Laudator am Abend der Vernissage, Prof. Klaus Brehm, darauf hin, dass Jonny Schindler in Landschaften, Wäldern, Gewässern seine Hauptmotive gefunden hat – durchaus vergleichbar mit Turner. Im langen und kreativen Künstlerleben hat Jonny Schindler in den letzten zwei Jahren seine Technik der Aquarellmalerei vervollkommnet, die zurückhaltend in der Farbgebung ist und die Betrachter damit eng zu den gewählten Motiven hinführt. Dabei bleibt der Maler seiner Heimat verbunden, erkennt der aufmerksame Betrachter in den Bildern doch immer wieder bekannte Orte und Blickwinkel.


Die Bevölkerung hatte, wie es typisch ist für die Ausstellungen von Jonny Schindler, drei Tage Zeit, sich die neuen, in den letzten zwei Jahren entstandenen Bilder im Historischen Rathaus in Retzbach anzuschauen. Es war immerhin die neunte, im Zwei-Jahres-Rhythmus durchgeführte Veranstaltung und wird hoffentlich nicht die letzte sein. Denn ein echter Kunstliebhaber sollte an seinen Wänden zu Hause neben einem aufwühlenden, erregenden und wilden Turner auch einen beruhigenden, besänftigenden und harmonischen Schindler hängen haben. Und wer nicht in die Tate-Galerie nach London reisen kann, der sollte in zwei Jahren wieder ins Historische Rathaus kommen, wenn Jonny Schindler seine neuen Werke zeigt.

 

Tota pulchra es, Maria

Auf einem Spaziergang zu Madonnenfiguren im Ortskern von Retzbach (22.09.2024)

Der Schuss traf die Hand und riss sie vom Körper ab. Dann brachten die Jungs sie nach Hause zu den Eltern. Nun, man musste sich zu seiner Tat bekennen. Das verlorene Körperteil wurde neu konstruiert und angepasst. Jetzt kann sie die Hand wieder huldreich erheben und thront mit schwunghaftem Faltenwurf und innigem Blick zum Himmel über dem Winzerhof Weisenberger. Nur wer ganz genau hinschaut, merkt, dass die Hand eben doch aus einem anderen Material hergestellt ist als die große Barockmadonnenfigur.


Die Tour begann vor dem Historischen Rathaus, wo Rainer Maas, der Vorsitzende des Vereins, die beiden Begleiter vorstellte. Manfred Lauter übernahm den Part der Ortsgeschichte. Er ist gebürtiger Retzbacher und hat die Entwicklung seines Heimatortes miterlebt und in vielen Funktionen mitgestaltet. Es gibt nur wenige, die so authentisch, anschaulich und lebhaft vom Leben im Ort erzählen können. Der zweite im Bunde war Gerhard Luber, der ein kompetenter Sachkenner zur Theologie und Ikonologie der Marienfiguren ist. Mit ausgewiesener Expertise und fantastischem Talent zum Erzählen erläuterte er schwierige dogmatische Aspekte ebenso wie die Bedeutung aller bildlichen Details der Hausmadonnen.

Die ersten Meter waren nicht schwer zu gehen. Ist der dem Rathaus vorgelagerte „Spätzplatz“, ein Ort, der in früheren Zeiten von der Hauptverkehrsstraße durchzogen war, an dem etliche Gasthäuser lagen und wo sich die Bevölkerung versammelt hatte, an dem Handel getrieben und Neuigkeiten ausgetauscht wurden, auch heute noch das Zentrum des Marktes Retzbach? Der Blick hinauf an die Häuserzeilen bleibt an den ersten Marienfiguren hängen. Wir sehen eine Himmelskönigin, eine Mondsichelmadonna und am Zehntgerichtshaus eine farbig gefasste „Immaculata“.  Die Schlange, die sich um ihren Fuß wickelt und auf die sie tritt, hat einen Apfel im weit aufgesperrten Maul. Natürlich assoziieren wir Eva und die Vertreibung aus dem Paradies. Aber was hat das mit Maria zu tun? Noch vor 200 Jahren hätte jeder Bauernbursche die komplexen Andeutungen dieses Bildes intuitiv verstanden. Uns ist dieser Zugang zur Bilderwelt verlorengegangen. Beispielhaft hat Gerhard Luber hier auf die theologischen Grundlagen der Denkfigur der Typologie hingewiesen, die erst ein umfassendes Bildverständnis ermöglicht. Mit der Schlange und dem Apfel befinden sich eigentlich zwei gegensätzliche Frauengestalten im Bild. Während Eva die verführte Verführerin, die Schwäche der Menschen gegenüber der Lust und des Habenwollens darstellt, zeigt sich Maria ganz als im Glauben gefestigte, aller Sünden und menschlichen Trieben entsagende Person. Und erst mit diesem vollständigen Aufgehen in Reinheit und Lauterkeit ist es ihr möglich, die Schlange, die Verführung zu besiegen.   

Am Dorfbrunnen konnte Manfred Lauter die rasante Entwicklung des Marktortes in den letzten 50 Jahren eindrucksvoll belegen. Dort, wo heute eine Idylle mit Brunnen, Sitzbänken, der Bücherzelle und grünen Sträuchern zu erleben ist, stand vor gar nicht so langer Zeit eine Tankstelle. Und so manche Spaziergängerin erinnerte sich daran, auch ihr Eis dort gekauft zu haben. 

Die Pfarrkirche bot dann Gesprächsstoff sowohl für die Dorfentwicklung als auch für die Marienfiguren. Ursprünglich wohl eine Wehrkirche ist der Platz der Kirche bis heute deutlich abgegrenzt und von einer Mauer umgeben. So lagen auf der einen Seite vermutlich Gaden, wie sie viele Kirchenburgen der Umgebung aufweisen. Die Maulbeerbäume auf der anderen Seite bedecken den früheren Friedhof.  Vehement bestand Manfred Lauter darauf, in dem berühmten Baumeister Balthasar Neumann auch den Schöpfer dieser Kirche zu sehen. Und auf Unverständnis fiel das Vorhaben der katholischen Kirche, dieses für den Markt so zentrale Kirchengebäude eventuell zu säkularisieren und zu verkaufen. Kirche ist ja nicht nur ein geistiges Konstrukt, sondern sie wird über all die Jahrhunderte hinweg auch in ihren Persönlichkeiten und Gebäuden wahrgenommen. Wer ein Stück Haus veräußert, der gibt auch Heimat weg, die den Gläubigen ans Herz gewachsen ist, in der sie sich immer wieder getroffen, in der sie immer wieder ihren Gottesdienst gefeiert haben. Zudem können wir auch Kunstvolles im Inneren der Kirche bewundern. Gerhard Luber verwies auf die wundervolle Pietá, eine Darstellungsform der Maria, die es nicht auf den Hausfassaden zu entdecken gibt. Auch dieses Kunstwerk ist ein Ausdruck seiner Entstehungszeit. Die schmerzenreiche Mutter Gottes, die ihren toten Sohn in den Armen hält, ist Zeichen einer im 14.Jahrhundert neu entstandenen Frömmigkeit. Im Angesicht vom Kriegen und Pest erlebten die Menschen die Welt als Jammertal. Der strahlende Heiland am Kreuz wird abgelöst vom leidenden Christus, der zur Lebenswirklichkeit passt. Und auch der Tod wird zum Inhalt der Bilder. Mit fortschreitenden Zeitläufen verändert sich die Komposition. Aus der strengen Personengruppe der Romanik wird die leidenschaftlich bewegte Trauergemeinschaft des Barock. Diese Empfindung fängt die Retzbacher Pietá hervorragend ein und erweist sich somit als ein echtes künstlerisches Schmuckstück.
 

Beim Abgang zum unteren Dorf machte die Spaziergängergruppe noch Halt an einem einfachen Lourdes-Altar. Das Wunder von Lourdes zeigt Volksglauben, Dogmatismus und Geschäftsgebaren gleichermaßen. Kaum hatte die katholische Kirche das Dogma der „Unbefleckten Empfängnis“ verkündet, erschien in Lourdes die Jungfrau Maria, quasi als Bestätigung. In rascher Folge wurden überall auf der Welt Nachbildungen der Grotte nachgebaut. Heute ist Lourdes ein Geschäftsbetrieb, der seinesgleichen sucht: mit Devotionalien und Lourdes-Wasser in Plastikfläschchen aller Größen. 

Bewegt ging es dann nochmals beim Weingut Weisenberger zu, vor allem wenn man auf die Gestaltung der großen Sandsteinmadonna schaut. Das Äußere, der sehnsuchtsvolle Blick zum Himmel, der rauschende Faltenwurf des Gewandes, bringt eine tiefe Ergriffenheit im Inneren zum Ausdruck. Und immerhin steht die Madonna jetzt fest auf einem sicheren Platz und unter einem schützenden Dach, auch wenn keine Panzerkolonnen und Heufuhrwerke mehr die Oberdorfstraße entlangbrettern und keine Kinder mehr zu ihren Füßen Ball spielen.

Den Abschluss des Spaziergangs bildete eine Zweiergruppe, eine Marienfigur, in der alle Merkmale in eindrucksvoller Art und Weise nochmals zusammenspielen. Die lebensgroße Holzfigur an der Hauswand beim Pfister ist zwar eine Neuschöpfung eines Rhöner Bildschnitzers, doch sie ist ebenso erhaben wie das Original in der Heckenwirtschaft. Sie wird Balthasar Esterbauer zugeschrieben, einem der führenden Bildhauer des Hochbarock in Würzburg. Und in der Tat finden sich die Krone, das Szepter, das Christuskind am ausgestreckten Arm, der Faltenwurf, die Weltkugel und jetzt der Drache, dem hier das kleine Kind den Speer in den Rachen bohrt. Wer aufgepasst hat, hat alle diese Details wieder entdeckt und hat mit einem weiteren Gläschen Wein den Rundgang beendet.

Unter großem Applaus der Teilnehmenden bedankte sich der Vorsitzende des Vereins bei den beiden Wegbegleitern Manfred Lauter und Gerhard Luber und konnte ihnen ein kleines Präsent überreichen. Sicherlich findet sich im nächsten Jahr ein weiteres Thema, das zu einem Spaziergang durch den Ortskern von Retzbach einlädt.

Französisch-deutsche Weltpremiere

Jazzkonzert mit dem Gast aus der Partnergemeinde Louvigny (10.05.2024)

Grenzen überwinden. Vor 40 Jahren wurde die Partnerschaft zwischen den Gemeinden Louvigny in Nordfrankreich und Zellingen offiziell ins Leben gerufen. Über die Jahrzehnte hinweg sind aus Fremden Freunde geworden. Viele Bürgerinnen und Bürger leben diese Partnerschaft mit großem Engagement. Aber es gibt auch Menschen, die keinen Gast bei sich aufnehmen wollen oder können. Der Verein Historisches Rathaus  wollte diese Partnerschaft auf ein breiteres Fundament stellen und sie für die gesamte Gemeinde erlebbar machen. Deshalb hatte man sich auf die Suche nach einem Künstler aus der französischen Partnergemeinde gemacht und wurde unter Mithilfe des Partnerschaftskomitees fündig.

Mit Guillaume Marthouret ist es gelungen, einen hochkarätigen Jazz-Saxophonisten aus der Partnergemeinde Louvigny an den Main zu locken. Der erfahrene und gewandte Musiker, der auch die Louvigny Jazz Band leitet, spielt in vielen Formationen, mit denen er national wie international auftritt. Begleitet wurde er von den Würzburger Größen des Jazz, von Jörg Meister am Schlagzeug, Georg Kolb am Bass und Thomas Klopfer am Klavier. In dieser Besetzung bedeutete der Auftritt der vier Musiker eine einzigartige französisch-deutsche Weltpremiere, denn noch nie hatten sie zusammen gespielt und wahrscheinlich werden sie auch so schnell nicht wieder zusammenkommen.

Und wieder galt es, Grenzen zu überwinden. Über 800 km lang war die Strecke, die Musikauswahl und Notenaustausch hinter sich bringen mussten. Glückliche Musiker, die keine Sprache brauchen, wo es genügt, einen Titel zu nennen, eine Tonart festzulegen und einen gemeinsamen Rhythmus zu finden. Und so konnten sich die Besucherinnen und Besucher an einem Potpourri bekannter Jazz-Melodien erfreuen, angefangen vom Swing der 30er Jahre, über Broadway-Songs bis zu Bebop und Bossa Nova. Guillaume Marthouret intonierte meisterhaft auf seinem Saxophon, verzauberte mit weichen, farbenfrohen Swing-Klängen genauso wie mit härteren Staccatos bei Bebop und Modern Jazz. In der Natur dieses Zusammenspiels über Grenzen hinweg lag es, dass die Musiker viel Freiraum für Improvisation nutzen konnten, dem auch Georg Kolb und Thomas Klopfer virtuos und ideenreich nachkamen, während das Schlagzeug von Jörg Meister konzentriert den Takt dazu gab. Wenn Grenzen keine Hindernisse mehr bilden, entsteht ein neuer, aufregender Sound, der das Publikum im ausverkauften Historischen Rathaus vom ersten Ton weg in seinen Bann nahm. Erst nach einigen Zugaben wurden die vier Musiker mit stehendem Applaus verabschiedet.

Leuchtende Kinderaugen in der Schlangengrube 

 Zauberer Matzelli begeisterte Kinder und Erwachsene im Historischen Rathaus in Retzbach (28.04.2024)

Damit gaben sie sich nicht zufrieden. Als der Zauberer nur ein Türchen bei seiner viertürigen „Würfelverschwindemaschine“ aufmachte, wurde laut protestiert. Mit der Öffnung des gegenüberliegenden Türchens zeigte sich wirklich ein Loch, aber die Maschine wurde so seltsam schief gehalten. Nun forderten sie auch das nächste Türchen und tatsächlich, das Kästchen schien leer. Aber darf man einem Zauberer trauen, der seine Zuschauer austrickst? Die Unruhe unter den kleinen Besucherinnen und Besuchern wuchs und man wollte auch die letzte Klappe offen sehen. Und plötzlich war es mucksmäuschenstill. Denn als auch die letzte Klappe aufgemacht wurde, war da nichts mehr: der Würfel war verschwunden! Zauberei!


Zauberer Matzelli begeisterte von Anfang an sein junges und nebenbei auch das ältere Publikum. Lolipop-beschwingt präsentierte er gleich zu Beginn ein einfaches Tuch, von vorne, von hinten, mit einer Hand, mit zwei Fingern, um dann doch erstaunlich viele bunte Bänder aus ihm herauszuwringen. Ungläubiges Staunen bei den vielen Kindern, die an diesem Nachmittag ins Historische Rathaus geladen waren und vor ihm auf dem Boden Platz genommen hatten. Mama und Papa, Oma und Opa hatten es sich dahinter auf Stühlen bequem gemacht. Und immer wieder mussten die Kinder dem Zauberer helfen, seine Künste auch zu Ende zu führen. Eine Reihe von Zaubersprüchen wurde gemeinsam ausprobiert, Beschwörungsformeln gemurmelt und mit Handbewegungen unterstützt. Es waren die Kinder, die Dinge wandern ließen und aus sieben streng bewachten und in einem verschlossenen Umschlag verwahrten Karten zehn machten. Der mutige Phillip schließlich griff beherzt in den Zauberhut und brachte eine Ringelnatter, eine Kobra und eine Boa zum Vorschein, drei völlig unterschiedlich lange Schlangenschnüre – eine echte Schlangengrube. Ein bisschen Zauberpulver und viel konzentrierte Zauberarbeit der Kinder machten daraus drei gleich lange Schlangen. Aber da sich die nun einförmigen Schlangen nicht wohlfühlten, ging die ganze Verwandlung auch rückwärts. Simsalabim! Zwar meinte ein vorwitziger Junge, das alles seien pure Tricks. Doch als am Ende Zauberer  Matzelli statt des Popcorns aus Versehen Bonbons und Schokolade aus seinem Hut hervorzauberte, griffen auch die Skeptiker herzhaft zu.

Die leuchtenden Kinderaugen bewiesen, dass es allen jungen Besucherinnen und Besuchern sehr gefallen hat und auch die begleitenden Eltern und Großeltern erfreuten  sich an diesem ersten Kindernachmittag, den der Verein Historisches Rathaus Markt Retzbach initiiert hat. Der große Zuspruch hat zur Folge, dass dies sicherlich nicht die letzte Veranstaltung für junge Gäste war. 

„In Retzbach`s fair Village…“ 

   Ausgelassener Irischer Abend im Historischen Rathaus (20.04.2024)

Höchstwahrscheinlich hätten sie alle in Dublins Kneipenviertel neidisch auf das Feuerwerk an Musik und Gaumenfreuden geblickt, das am Irischen Abend im Historischen Rathaus in Retzbach entzündet wurde. Und wie in jedem guten Pub war es gerammelt voll, es war eng und laut und je später der Abend – und es wurde sehr spät (!) – desto ausgelassener stieg die Stimmung.

 

Dies lag an der fein ausgewogenen Komposition des Dreiklangs Musik, Essen und Trinken. Für die Musik zuständig waren die Celtic Burritos, die mit sechs Musikant*innen das Raumangebot  fast sprengten und für beste Unterhaltung sorgten. Ihr „Clanchef“ Ralph Gerlich begeisterte mit seiner tiefsten Bassstimme bei hingebungsvollen Balladen ebenso wie bei schwungvollen Gassenhauern. An Gernot Kiefer wiederum ist ein begnadeter Sternekoch verloren gegangen. Von seinem mit Hingabe geschnippelten und angebratenen Irish Stew sind selbst der kleinste Kartoffelrest und das winzigste Stückchen Lammfleisch aufgegessen worden, obwohl es reichlich Nachschlag gab. Als profunder Kenner des „Uisge Beatha“ erwies sich schließlich Tom Gauss. Seine exquisite Auswahl, die vom Blended zum Grain zum Pot Still bis zum Single Malt die ganze Spannbreite des irischen Whiskeys aufzeigte,  überzeugte die Novizen wie den Fachmann. Und gelernt haben die Besucher*innen auch, dass die richtige Antwort auf die Geschmacksfrage beim Whiskey immer Vanille lautet und dass sich auch ein Whiskey vermählen kann.

 

Als dann der letzte Krümel verzehrt  und das letzte Tasting-Glas ausgetrunken war, wollte noch niemand  nach Hause gehen. Die Musik griff nochmals in die Tasten, bei „The Wild Rover“ und „Whiskey in the Jar“ sang der ganze Saal aus voller Kehle mit und so manche angebrochene Flasche wurde noch leer gemacht. Die lebhafte Stimmung drinnen und das Schmuddelwetter draußen -  es war ein echter, entspannter und stimmungsvoller Irischer Abend.

Am Bett des Sonnenkönigs 

 Musik aus Renaissance und Barock im Historischen Rathaus Retzbach (16.03.2024)

Man konnte sie wahrlich vor sich sehen: sehr aristokratisch die Herren, die lange Allongeperücke fällt über die Schulter, der bunte Rock verdeckt die gebauschte Kniehose, die weiten Ärmel haben breite Aufschläge und wer auf sich hält trägt Schuhe mit roten Absätzen. Und erst die Damen: die Schnurbrust sorgt für eine extrem schmale Taille, das Kleid aus Spitzen und Seide ist reich verziert mit farbenfrohen Bändern.


Die Musik von Claudia Rothkegel-Risser und Albin Heinl erweckte diesen Traum in Form und Farbe bei allen Besucherinnen und Besuchern zum Leben. Schwungvoll eingeleitet wurde das Konzert von mehreren Recercadas des Spaniers Diego Ortiz, die bereits die Leichtigkeit des Abends vorgaben. Und auch wenn seine Auftragsarbeit nicht von Erfolg gekrönt war und der Kopf des Earl of Essex doch rollte, so bestach die Gaillard des englischen Komponisten John Dowland durch einen kraftvoll-mitreißenden Rhythmus. Die sich anschließende Pavane beruhigte die erregten Affekte mit feierlich-langsamen Tönen.  Mit dem „Königlichen Gitarrenspieler“ Robert de Visée gelangte das Publikum an den Hof Ludwigs XIV, wo er dem Thronfolger Gitarrenunterricht gab. Eine besondere Ehrung erfuhr der Musiker, als er dem König vorspielen durfte, nachdem dieser zu Bett gegangen ist.

Wenn der Komponist auch nur halbwegs die technischen und musikalischen Fähigkeiten an den Tag gelegt hat, wie sie die beiden Vortragenden gezeigt haben, bleibt unverständlich, wie der Monarch bei solch „Sphärenmusik“ einschlafen konnte. Claudia Rothkegel-Risser nuancierte auf ihren Flöten feinsinnig und einfühlsam. Mit exzellentem Fingerspiel meisterte sie die schnellen Passagen mit ihren Trillern bravourös. Konzentriert vertieft in ihr Spiel gelang bei den langsameren Sätzen ein reicher und warmer Klang. Albin Heinl zeigte sich als stilsicherer Begleiter und virtuoser Solist. Perfekt aufeinander abgestimmt setzte er mit der Gitarre Akzente, die die Gelöstheit und Leichtigkeit der Musik herausstellten. Die Zeitalter von Renaissance und Barock mit ihrer reichen und kunstvollen Ornamentik wurden eindrücklich lebendig. Das Publikum war begeistert und applaudierte temperamentvoll, was die Künstler mit einer Zugabe belohnten. 

Vielfalt und Respekt ist Glück

 Eine musikalisch-literarische Reise in das „Wien des Ostens“ (02.03.2024)

Tschernowzy, Cernăuți, Czerniowce, Tscherniwzi, Czernowitz – wenn eine Stadt so viele Namen hat, dann bedeutet dies auch eine bewegte Geschichte. Gerhard Luber blickt in seiner musikalisch-literarischen Lesung auf zwei Jahrhunderte dieser wechselvollen Zeiten zurück und zeigt eindrucksvoll die Verwerfungen auf, die eine Stadt im Schnittpunkt vieler Machtansprüche und Kulturen zu bewältigen hatte und hat. 


Es begann friedlich und bunt, als vor 200 Jahren das Habsburgerreich Czernowitz zur Hauptstadt des Kronlandes Bukowina machte. Obwohl nicht an den Haupthandelswegen gelegen, blühte die Wirtschaft auf und mit ihr Religion und Kultur. Juden, Deutsche, Rumänen, Ukrainer, Armenier, Polen bildeten eine multikulturelle Stadtbevölkerung, brachten ihren Glauben, ihre Sprachen, ihre Sitten und Gebräuche ein. Man achtete und beachtete sich und den anderen, wie der diffizile Stundenplan der Höheren Schulen bewies. Und selbst bei Konzerten für die Elite der Stadt gab es Zugaben für das Lumpenpack. Das Miteinander förderte den Austausch untereinander und belebte die unterschiedlichen Lebensstile. Das Verständnis füreinander brachte Toleranz mit sich. Vielfalt und Respekt führte zu Glück. 

Dann kam das 20. Jahrhundert und mit ihm die Kriege und die Ideologien der Extreme. Mit Jacob Melzers Bericht über „Das neue Regime“ erlebten die Zuhörer die Schrecken der Shoa mit: 3.000 Exekutionen an einem Tag. Das jüdische Leben wurde als erstes ausgelöscht. Der Stalinismus vereinheitlichte schließlich Ethnien wie Gedanken. Als Gregor von Rezzori nach Czernowitz, seiner Geburtsstadt, zurückkehrte, findet er eine seelenlose Leere vor. Was erhalten blieb, waren die Fassaden. Und nun der russische Angriffskrieg, der Czernowitz zwar (noch?) nicht als Frontstadt sieht, aber mit Halyna Kruk von jedem einen Standpunkt einfordert: „Da stehst du nun“. Mit dem bedeutendsten Dichter der Stadt, Paul Celan, schließt Gerhard Luber einen wirkmächtigen Wort- und Bilderbogen, von dem auch die Besucher einen wichtigen Gedanken mitnehmen. Wenn Czernowitz überall ist, wie Nora Gray feststellt, dann ist auch Retzbach Czernowitz. Es gilt, sich der Vielfalt des Ortes bewusst zu sein, seiner Bewohner mit ihren unterschiedlichen Ethnien, Glaubensrichtungen, Berufen und Wertvorstellungen. Diese Vielfalt erinnert an das alte Czernowitz, sie ist bunt und schön, weil sie jedem den Lebensentwurf gewährt, den er leben will. Wenn einfarbige Anstreicher diese Vielfalt zerstören, dann bleiben Apathie und Resignation.

Gerhard Luber steuert mit der klugen Auswahl der Texte souverän die Empfindungen der Zuhörer. Er spricht eindringlich und mit fein abgestimmter Modulation, angenehm weich bei Erzählungen, beschwingt bei Dialogen und hart, wenn das Furchtbare von Taten und ihren Folgen zu berichten war. Begleitet wird der Vortragende von den „Con-Brio-Hölzern“: Axel Weihprecht und Helmut Kennerknecht an den Klarinetten und Friedemann Wolpold am Fagott, die ihre Intonation diesen Inhalten bestens anpassen. Die Musik ist wichtig an diesem Abend. Der Rückgriff auf Stücke der Wiener Klassik, v.a. auf Mozarts „Divertimento KV 439b“, schafft Entspannung, wirkt aber auch auf ihre ganz eigene Weise als Verstärkung der Texte, als Vorbereitung und Nachhall. Die Besucher belohnten Sprecher und Musiker mit langem und herzlichem Beifall. 

Der Verein Historisches Rathaus Retzbach wird den Erlös der Veranstaltung weitergeben an den „Helferkreis Ukraine Arnstein“.


Vom Apfel für Aphrodite

Wolfgang Piepers zeigte „Glanzlichter der heimischen Natur“ (23.02.2024)

Ohne Zweifel sind auch Sie schon oft achtlos an einer bei uns weit verbreiteten „Schattenpflanze“ vorbeigegangen, die bei uns im Frühlingswald ihre charakteristischen vier Laubblätter entfaltet, in deren Zentrum dann im Sommer eine einzelne Beere heranwächst.  Aber wussten Sie auch, dass diese vier Blätter niemand anderen als drei griechische Göttinnen und den Königssohn Paris darstellen und die eine Beere in der Mitte den so verhängnisvollen „goldenen Apfel“ repräsentiert, den Zankapfel, der zum Trojanischen Krieg führte. Nun, so giftig der Apfel in der Mythologie, so giftig ist die „Einbeere“ bis heute. 


Wolfgang Piepers holte in seinem Bildervortrag über „Glanzlichter der heimischen Kultur“ weit aus. Und so erfuhren die zahlreichen Besucherinnen und Besucher auch von „Sisyphus schaefferi“, dem „Matten Pillenwälzer“, der unermüdlich versucht, seine Dungkugeln über Hindernisse zu wälzen. Vereinzelt noch an Ackerrändern ist zudem der Frauenspiegel der römischen Göttin Venus (Legousia speculum-veneris) versteckt, eine blauviolette Stieltellerblume. 

Aber natürlich hat nicht alles, was im Landkreis Main-Spessart wächst und fliegt, mit der antiken Mythologie zu tun. Die wunderschönen Bilder, die Wolfgang Piepers mitgebracht hat, zeigen die Vielfalt der heimischen Natur im Jahreslauf. Wenn es jetzt Frühling wird im Trockenrasen, dann sprießen die Relikte der letzten Eiszeit aus dem Boden, Pflanzen, die einst aus den Kältesteppen Ostasiens eingewandert sind. Adonisröschen und Küchenschelle leiden erkennbar an der Erderwärmung, denn sie brauchen die Kälte. 

Der Orchideenwald in Main-Spessart dagegen scheint sich zu erholen. Die Wärme fördert wohl die  symbiotische Lebensgemeinschaft mit ihren Pilzen, die Frauenschuh, Waldhyazinthe oder Waldvögelein brauchen. Die Auswirkungen einer immer industrielleren Landwirtschaft machen hingegen den bunten Ackerrändern schwer zu schaffen. Zwar bleiben die Samen dieser Pflanzen sehr lange unzerstört in der Erde, doch verschwinden Kornblume, Kornrade oder Rittersporn von unseren Feldern.

Nur dort, wo der Mensch Schutzgebiete ausgewiesen hat, bilden sich Urwälder, in denen Pilze das Totholz zersetzen. Spektakulär waren die Nahaufnahmen der Lamellen und der durchscheinenden Hüte. Und den Tintenfischpilz, von australischen Soldaten im 1. Weltkrieg eingeschleppt, sollte man nicht nach Hause nehmen: Er stinkt fürchterlich. 

Die nächsten Blicke richteten sich auf die Tierwelt. Für einige der 103 „fliegenden Edelsteine“ der Tagfalter ist der Landkreis Hotspot, z.B. für den Segelfalter. Es finden sich Schwalbenschwanz, Admiral, Kaisermantel und sehr viele Bläulings-Arten. An Teichen und Tümpeln bilden selbst Jungfern ihre Liebesherzen.

Große Hitze und Trockenheit kennzeichnen die Trockenrasengebiete im Sommer. Die dort lebenden Tieren und Pflanzen gehören zu den Gewinnern des Klimawandels. War die Bocksriemenzunge vor Kurzen fast ausgestorben, so kommt sie heute an vielen Standorten vor. Als jüngst zugezogene Art sind die Gottesanbeterinnen am Kalbenstein zu finden. 

Mit betörenden Bildern aus dem Herbst, der für Wolfgang Piepers schönsten Jahreszeit im Landkreis, beendete der Referent seinen Vortrag, nicht ohne noch einmal zu betonen, dass Pfaffenhütchen, Berberitze oder Mehlbeere sehr unter der trockenen Witterung leiden.

Wolfgang Piepers hat mit seinem Vortrag im Historischen Rathaus in Retzbach der Kreisgruppe Main-Spessart des Bund Naturschutz zu deren 50-jährigem Jubiläum ein sehr schönes Geburtstagsgeschenk gemacht. Die Besucherinnen und Besucher bedankten sich mit lebhaftem und langem Beifall und Michael Pfister vom BN mit einem Gastgeschenk.


Erzgebirgischer Ausklang der Weihnachtszeit 

Ausstellung von Schnitzereien aus Geyer (05.-07.01.2024)

Stolz trägt er seine Kerze in der einen, die lange Pfeife in der anderen Hand und doch irritiert er den Betrachter: ein Muselmann inmitten all der Bergknappen und Engel. Ist es arg frei ausgelegte künstlerische Freiheit? Mitnichten – auch diese Figur stellt ein Stück sächsischer Geschichte dar.  Geduldig und immer mit einem Lächeln auf den Lippen erklärte der langjährige Vorsitzende des „Schnitz- und Krippenvereins Geyer“ den Besuchern die Bedeutung der geschnitzten Kunstwerke von der Spitzenklöpplerin zum Steiger, den unterschiedlichen Lichterträgern und Schwibbögen und der großen Krippe des Vereinsheims mit ihrer imposanten Palme. Die kleine Ausstellung, die Andreas und Regine Richter mitgebracht haben, bot einen anschaulichen Überblick über die Schnitzkunst des Erzgebirges. Immerhin darf ihr Verein in diesem Jahr auf sein 130-jähriges Bestehen zurückblicken und bietet den Hobbyschnitzern in der Greifensteinregion regen Austausch.


Zur Vernissage am Abend des 05.01.2024 sprachen auch der 1. Bürgermeister des Marktes Zellingen, Stefan Wohlfart, sowie der Vorsitzende der Partnerschaftskomitees, Franz-Josef Vorwerk, Grußworte. Sie bedankten sich für die gelungene Ausstellung und wünschten sich noch viele gegenseitige Besuche, damit die langjährige Freundschaft zwischen den Partnergemeinden fortgesetzt wird.

 


 Der "Tasten-Män" haut in die Tasten

Mitreißendes Konzert von Lutz Röckert (06.01.2024)

Am Samstagabend war dann zum traditionellen erzgebirgischen Hutzenabend eingeladen. Mal besinnlich mit der „seeligen Weihnachtszeit“, mal temperamentvoll beim Betrachten der „Skihaserl“ und mal nachdenklich bei der ironischen Auseinandersetzung mit dem Einkaufsstress in der ruhigen Zeit begeisterte der „Tasten-Män“ Lutz Röckert mit seinem Akkordeon. In seiner gut verständlichen sächsischen Mundart erzählte er auch die Geschichte vom vierten Heiligen-Drei-König, der aus Böhmen stammte und den die Evangelisten unterschlagen haben.  Immer hoch präsent, oft mit seinem Publikum flirtend und meisterhaft sein Instrument beherrschend gelang es ihm, die Besucher tief zu bewegen. Verzaubert waren sie dann spätestens bei seinem Ausflug nach Böhmen und dem Lied „Küß mich, halt mich, lieb mich“ aus dem Film „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Und als am Schluss beim „Steigerlied“ oder beim bekannten, von einer Besucherin gewünschten  „`s  is Feierobnd“ des Erzgebirgischen Volksdichters Anton Günther die Zuhörer erst schüchtern leise, dann innig und intensiv mitsangen, klang der Abend bewegt und beglückend aus. Die Weihnachtszeit hatte einen würdigen Abschluss gefunden.

 


 Von „Frauenschuh“ und „Kaisermantel“

Ein Bildervortrag von Wolfgang Piepers (02.12.2023)

Schwarz starren die beiden Augen den Betrachter an und das Riesenmaul ist aufgerissen und scheint jederzeit bereit zuzubeißen – so präsentierte sich die Schreckstellung einer kleinen Raupe aus dem Retztal, die hoffentlich ihre Fressfeinde damit genauso beeindruckte wie die zahlreichen Besucher des Vortrages „Die Natur des Retztales im Wandel der Jahreszeiten“ von Wolfgang Piepers im Historischen Rathaus Retzbach.


Natürlich kannte jeder der Zuhörer von unzähligen Spaziergängen das Retztal, aber keiner hat über viele Jahrzehnte hinweg so genau hingeschaut wie der Referent. Geboren an der Quelle der Retz, jetzt wohnhaft an ihrer Mündung in den Main, hat Wolfgang Piepers die Flora und Fauna seines Heimattales intensiv erforscht. 


Eine genaue Beobachtungsgabe benötigt der Wanderer im Winter, wenn kahle Bäume und ab und zu Eis und Schnee das Landschaftsbild prägen. Es ist die Zeit der „Bunten Erdflechtengesellschaft“ der Kalkmagerrasen und Felsstandorte, die in Unterfranken im Retztal endemisch auftritt. Der Frühling beginnt mit „Kuhschellen“ und „Adonisröschen“, bevor sich eine Vielzahl an Orchideen in ihrer ganzen Pracht entfalten. Fanden sich früher nur wenige Exemplare, so erweisen sich gerade die Ragwurz-Arten als Nutznießer des Klimawandels in unserem Gebiet. Im Gegensatz dazu rottet eine immer intensivere Land- und Weinwirtschaft die früher allgegenwärtigen Ackerunkräuter aus. Wer kennt noch den „Ackerschwarzkümmel“ oder die „Kornrade“?

Wolfgang Piepers vermag sein umfassendes Wissen mit eindrucksvollen und teils spektakulären Bildern an den Besucher zu bringen. Wir sehen die „Blattschneiderbiene“ beim Heraussägen kreisrunder Löcher, den „Hirschkäfer“ beim Abflug oder die Liebesherzen sich paarender Libellen. Und noch das unscheinbarste Gräschen wird unter dem Makroobjektiv des Referenten zu einem außergewöhnlichen Seherlebnis. Die Besucher waren tief beeindruckt und füllten die Spendeneule des Bundes Naturschutz, der als Kooperationspartner die Veranstaltung mitgestaltete, großzügig.

 


 Ungehörte Töne am 24.11.2023

   Auch bei Jazz volles Haus 

Ein Feuerwerk an Melodien, Rhythmen und Improvisationen zündete die Jazz-Formation „Quartessence“ im Historischen Rathaus Retzbach. Die fünf Musiker, die seit nun fast 30 Jahren zusammen durch ganz Deutschland touren, begeisterten ihr Publikum mit schwungvollem Sound und kreativen Arrangements.

Nur das kleine Schlagzeug durfte Roland Gack aufbauen und doch sorgte er mit seinem konzentrierten Timing im Hintergrund für die nötige Taktsicherheit. Man sah sie förmlich vor sich aufsteigen, die Luftblasen im Wasser („Bubbles“), die Thomas Klopfer mit seinem kunstvollen Spiel am Piano erzeugte.  Mit prägnanten Riffs an seinem Kontrabass verfolgte Oliver Dannhauser die Spuren im Schnee und Sand („Traces“). Den „Samstag in Senigallia“ verzauberte die virtuos intonierte Trompete von Hans Molitor ebenso wie das einfühlsame Posaunenspiel des Bandleaders Michael Buttmann aus „No Ballad“ doch eine musikalische Ballade machte. Voll sich steigernder Spielfreude und vielseitigen, abwechslungsreichen Improvisationen setzte „Quartessence“ ihre Eigenkompositionen und einige wenige Standards von George Fragos oder Glenn Ferris eindrucksvoll in Szene und gewann vom ersten bis zum letzten Ton die Aufmerksamkeit eines begeisterten Publikums. Ein lang anhaltender Applaus, der mit zwei Zugaben belohnt wurde, verabschiedete die Musiker. 

 


Glücks-Augenblicke am 21.10.2023

 Heiter-besinnlicher Liederabend im Historischen Rathaus

Wenn die Besucher mit strahlenden Augen und einem Lächeln auf den Lippen das Konzert verlassen, dann haben die Musiker ihr Publikum begeistert.

Die Gruppe „Allegro ma non troppo“ hatte dafür allerlei wirksame Zaubermittel dabei.  Ob Tango, Fox oder Walzer, ob deutsch, französisch oder vielleicht rumänisch, ob Brecht, Mörike oder Borges – ein bunter Reigen teils leicht melancholischer, teils heiterer Melodien und Texte zog die Hörer in seinen Bann. Schon das Eingangslied, Pippo Pollinas „Passa il tempo“, deutete die Zeitreise durch das Leben an. Wie steht es mit „der ganzen Menge Leben“ (Konstantin Wecker), die vor einem liegt oder die man bereits hinter sich gelassen hat? Ist wirklich keine Zeit da, um „sein Herz weit zu öffnen und mit all seinen Augen zu lieben“ (Michel Fugain). Und wirst Du mir, trotz aller Träume von ewiger Schönheit und großem Reichtum, „mit 64 Jahren immer noch einen Valentinsgruß schicken“ (Beatles)?

Der ernste und liebevolle, heitere und besinnliche Blick auf all die Abzweigungen unserer Lebenswege, auf die große Liebe und die Katzen auf der Piazza Grande, auf Wunschvorstellungen und 56 Ehejahre mit derselben Frau, berührte das Publikum tief. Die warme und kraftvolle Gesangsstimme von Birgit Hutzel, die auch mit Akkordeon und Flöte zu überzeugen wusste, das beschwingte Geigenspiel von Uli Preu, begleitet von der rhythmischen Gitarre von Hermann Tzschaschel und der tiefe Bass Siegfried Hutzels, der auch die launige Moderation des Abend übernommen hatte, harmonierten prächtig und schufen in der heimeligen Fachwerkstube eine ganz bezaubernde Atmosphäre.

„Wenn ich das Leben nochmals leben könnte“ (Jorge Luis Borges), dann würde ich wieder ins Historische Rathaus kommen und „Allegro ma non troppo“ zuhören. Die Gruppe wurde für den stimmungsvollen Abend mit fantastischer Musik und klugen Gedanken mit stehendem und lange anhaltendem Applaus belohnt. 

 

Gelungener Auftakt - Kellerführung am 17.09.2023

Sie haben sich nicht davon abhalten lassen! Trotz des herrlichen Spätsommerwetters wollten die zahlreichen Teilnehmer in den dunklen Untergrund. Der Spaziergang durch einige Keller des Retzbacher Altortes entpuppte sich als Zeitreise. 

Das archaische Gewölbe des „Zahbauern“, des alten Zenthauses, beeindruckt allein durch seine Größe und macht eindrucksvoll deutlich, wie enorm die Mengen an Naturalabgaben der hart arbeitenden Bevölkerung im Mittelalter gewesen sein mussten. 

Auch der „Ochsenwirt“ besitzt einen großen Keller, am Türsturz weist die Jahreszahl 1622 auf das Alter hin. Dass bei der Tafernwirtschaft die Geschäfte gut liefen, beweist der Erweiterungsbau aus dem Jahr 1803. Und das Datum 9.4.1945, unübersehbar an die Decke gepinselt, gemahnt auch heute noch an die Schrecken des Weltkrieges.

Eines der ältesten Gebäude Retzbachs steht in der Bergstraße, wie die Jahreszahl 1561 über dem Bogen des Kellergewölbes anzeigt. Hier befindet sich auch der einzige Keller mit ebenerdigem Zugang. Dass das Haus heute wieder zu einem Schmuckstück wird, ist das Verdienst der neuen Hausherren. Der Blick in den imposanten Keller lässt Zukunftsgedanken aufkeimen.

Die Träume erfüllt sind im Keller der ehemaligen fürstbischöflichen Kelterei in der Kirchgasse. Nach einer grundlegenden fachkundlichen Restaurierung erstrahlen Haus wie Keller in neuem Licht. Ein schwerer Tisch in der Mitte, indirekte Beleuchtung  unter den Holzpanelen an der Decke, so präsentiert sich heute ein stimmungsvoller Ort.

Auch die letzte Station des Rundgangs beweist, dass die Retzbacher Keller sinnvoll genutzt werden. Mit dem ehemaligen Winzerkeller war die Besucherschar wieder an ihrem Ausgangspunkt angekommen. Heute ist der Keller in der Obhut des RCC, der ihn zu einem Treff- und Trainingsraum für seine vielen Gardegruppen gemacht hat.

Abgerundet wurde der Dorfspaziergang durch manch guten Schoppen. In jedem der fünf Keller wurde ein ausgesuchter Wein aus den Kellern der Retzbacher Winzer eingeschenkt und fachkundig erklärt, u. a. von der amtierenden Retzbacher Weinprinzessin Emma Ehrenfels. Dass man sich hinterher dann verplauderte, zeigt, dass die Kellerführung sehr gut angenommen wurde. 

Sponsoren

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